Keine andere Persönlichkeit prägte die ästhetischen Debatten der Wiener Musikszene des 19. Jahrhunderts in einem solchen Ausmaß wie der damals wie heute gern als ‚Kritikerpapst‘ apostrophierte Eduard Hanslick (1825–1904). Mit seiner 53-jährigen Betätigung als Feuilletonist hat er sich in der Wiener Musikgeschichtsschreibung seinen Platz als in gleicher Weise scharfsinniger wie -züngiger Wortführer der sogenannten konservativen Partei der Formalästhetiker gesichert.
Im Rahmen des Projektvorhabens wird das Wirken Hanslicks aus einem privateren Blickwinkel betrachtet. Die Quellenbasis dafür bildet ein Konvolut an 80 Briefen, die Hanslick in seinen letzten zwölf Lebensjahren, zwischen 1892 und 1904, Wanda Hürsch hat zukommen lassen und die gesammelt in der Wienbibliothek im Rathaus aufbewahrt werden.
Vor dem Hintergrund, dass Hanslicks Nachlass als vollständig verschollen gilt und seine autobiographischen Aufzeichnungen mit 1894 enden, fällt diesem Quellenkonvolut in gleich zweierlei Hinsicht eine zentrale Bedeutung zu. So wird auf dessen Basis nicht nur eine vergleichende Gegenüberstellung der kritischen Einlassungen des in der Öffentlichkeit stehenden Feuilletonisten mit jenen des privaten Konzertgängers, sondern zudem eine Beleuchtung Hanslicks aus der in historischen Kontexten häufig vernachlässigten Perspektive der Biographieforschung möglich.